Bild: Beate Heinen, Neue Schöpfung, 1996; (c); ars liturgica Buch- & Kunstverlag MARIA LAACH, Nr. 4752

Beate Heinen,  NeueSchöpfung,  1996, (c)  ars liturgica, Buch- & Kunstverlag MARIA LAACH,  Nr. 4752


DENKT NICHT MEHR AN DAS,
WAS FRÜHER WAR;
AUF DAS, WAS VERGANGEN IST,
SOLLT IHR NICHT ACHTEN.

SEHT HER,
NUN MACHE ICH ETWAS NEUES.
SCHON KOMMT ES ZUM VORSCHEIN,
MERKT IHR ES NICHT?

(JESAJA 43,18-19)

 

 

DENKVERBOT?
Das Frühere, das Vergangene – sei es gut oder schlecht – lässt sich aus unserem Gedächtnis nicht verbannen. Das Verdrängen oder Leugnen von Geschehenem ist langfristig auch noch nie gut gegangen. Anders gesagt: Das, was Gott hier von uns verlangt, scheint beim ersten Lesen schier unmöglich.
Der Prophet Jesaja nimmt uns in die Zeit des 6. Jahrhunderts vor Christi Geburt hinein, in der das Gottesvolk bittere Klage führte. Der Tempel in Jerusalem war zerstört, der Staat zerfallen, die Elite des Volkes nach Babylon deportiert. Eine bessere Zukunft schien es für Israel nicht mehr zu geben. Da lag es nahe, dass sich die Menschen in Gedanken an bessere, aber lange vergangene Zeiten flüchteten und Gott vorhielten, dass er, im Gegensatz zu seinem jetzigen Verhalten, früher Großes an seinem Volk getan habe. In Gottesdiensten gedachten sie deshalb dankbar der Erlösung ihrer Väter, die Gott aus der Sklaverei befreit und durch das Meer in das gelobte Land geführt hatte.
Viele der Israeliten waren wohl so auf diese Vergangenheit fixiert, dass sie schlicht unfähig waren, dem Propheten Jesaja ihr Ohr zu schenken – noch viel weniger, ihren Glauben. Da bedurfte es schon deutlicher Worte: Starrt nicht wie ein Kaninchen auf die Schlange! Lasst ab von eurer Trauer! Klammert euch nicht mehr an das Vergangene, schenkt ihm keine Aufmerksamkeit mehr, denkt nicht mehr daran! Öffnet euch dafür, dass eine neue wunderbare Gottestat vor euch liegt!

ÄNDERUNG DER BLICKRICHTUNG!
Es ist nicht so, dass alten Traditionen jetzt nicht mehr gelten, dass Gott Abstand nimmt von seinen Geschöpfen und dem Guten, dass er seinem Volk bereits getan hat. Das Alte darf das Neue nur nicht verstellen. Gott kündigt an, etwas ganz Neues zu schaffen, der Blick solle nach vorne gehen. Es ist die Befreiung, die sich viele Israeliten gar nicht mehr zu erwarten und zu erhoffen trauten – vielleicht auch in Furcht, einem Irrtum zu erliegen, einem falschen Propheten aufzusitzen und dann auch noch diese Enttäuschung aushalten zu müssen. Für sie ist es einfach zu schön, um wahr zu sein.
Die unerwartete Neuerung sprengt den Rahmen des menschlich Vorstellbaren. Gott will nicht einzelnen Glaubenden, vielleicht besonders Frommen, eine Wohltat erweisen oder ihnen Geleitschutz auf dem Weg geben. Es geht ihm um viel Bedeutenderes: es geht um die endgültige Aufrichtung Israels als Gottes Volk. In der göttlichen Erlösung, die nicht an menschlichen Grenzen endet, liegt das Neue. „Siehe, ich bin dabei Neues zu machen“, das bezeichnet eine Handlung, die sich in naher Zukunft – und zwar mit ganzer Sicherheit – abspielen wird.

NEUES WACHSEN LASSEN!
Das Neue liegt gleich einem Samenkorn noch verborgen im Dunkel – obschon es dort, verborgen vor den Augen der Menschen, bereits wächst. So wie jeder von uns die Erfahrung hat, dass bei den Pflanzen, wenn es „sprosst“, das Wachsen weitergeht, so unbedingt geht das Handeln Gottes weiter. Das „Sprossen“ muss man nur erkennen.
Mit diesem Erkennen verbunden ist die Einsicht, dass das Neue nicht einem eingeweihten Kreis gilt, sondern allen, die davon Kunde erhalten. Dem Wort des Propheten trauend, machten sich die Befreiten als neues Gottesvolk, das Taubheit und Blindheit abgelegt hat, durch die Wüste auf den Rückweg in die Heimat.

AUFERSTEHUNG ERFAHREN.
Die Erfüllung der Verheißung von Jesaja 43,18f erkennen Christen darin, dass Gott seinen Sohn in die Welt gesandt hat und dieser durch Tod und Auferstehung die Welt erlöst hat. „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anvertraute“ (2 Kor 5,17-19). Versöhnung, Auferstehung und neues Leben ist, gleich den Jüngern von Emmaus, für jeden Menschen der an Christus glaubt im eigenen Leben erfahrbar, unabhängig davon, wie dunkel es im Moment aussehen mag. Diese Zusage Gottes gilt bis zum Ende der Zeiten.
„Seht, ich mache alles neu“ (Offb 21,1), dieses Wort begegnet uns wieder im letzten Buch der Bibel bei der Wiederkehr des Herrn. Auf Erden wird Gerechtigkeit geschaffen und das himmlische Jerusalem angekündigt – wie im Altarbild von St. Johannes Ap. dargestellt.

Text: Barbara Wieland 2014